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Fachwissen zu Disziplinen der Kognitionswissenschaften

Lokalisierung der Signalquelle (source localization)

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In diesem Beitrag geht es um die schwierige Aufgabe, die Quellen von EEG-Signalen im Gehirn auszumachen, also zu bestimmen, welche Areale zu welchen Pegeln beigetragen haben. Es werden zwei generelle mögliche Lösungsrichtungen (vorwärts und invers) und eine spezielle Technik zur gerichteten Signalverstärkung (Beamforming) erläutert.

Lokalisation ist hier ein schweres Unterfangen, denn bekanntermaßen haben EEG und MEG eine recht schwache räumliche Auflösung (dafür aber mit die beste zeitliche Auflösung, nämlich im Millisekundenbereich). Nicht-invasives EEG, d.h. mit den Elektroden auf dem Schädel und nicht darunter, misst Aktionspotentiale eben nur durch Haut und Knochen abgeschwächt und verzerrt. Auch Informationen, die man durch andere Methoden wie fMRT gewinnen kann, helfen nicht unbedingt dabei weiter, die Quellen des EEG-Signals auszumachen. Wir stehen also vor einem inversen Problem: wie können wir die kortikalen Quellen im Nachhinein ausmachen, die die beobachtete Potentialverteilung auf der Kopfhaut erzeugt haben?

Theoretisch kann man in zwei Richtungen vorgehen, vorwärts und invers. D.h., man kann sich einerseits überlegen, wie auf Grund physikalischer Eigenschaften sich bestimmte elektrische Ströme auf der Kopfhaut zeigen werden – das ist die vorwärtsgerichtete Lösung. Andererseits kann man versuchen, von der auf den auf der Kopfhaut gemessenen Strömen auf die Orte der einzelnen verantwortlichen Dipole zu schließen – das ist die inverse Lösung. Was heißt das im Detail?

Erste Voraussetzung zum Verständnis ist, dass wir kortikale Aktivität als Dipol (zwei räumlich getrennte Pole) modellieren. Ein Dipol kann immer durch einen Ortsvektor, der eine bestimmte Richtung und eine bestimmte Länge hat, beschrieben werden. Das inverse Problem ist also: welche Dipol-Vektoren im Gehirn haben die auf der Schädeldecke gemessenen Ströme verursacht? Nun nochmal genauer die beiden Lösungsansätze und ihre Schwierigkeiten:

Vorwärtsgerichtete Lösung:

Wenn der Ort eines Dipols (oder einer Dipol-Verteilung) bekannt ist, was kann man über die resultierende Potentialverteilung auf der Kopfhaut vorhersagen?

Diese Lösung ist auf jeden Fall sehr abhängig von dem zugrundeliegenden Modell des Kopfes, denn dessen Form und Aufbau wird auf jeden Fall das Resultat beeinflussen. Welche Kopfmodelle gibt es? Am häufigsten die beiden folgenden:

– Kugel (1-4 Schichten)

  • für das MEG braucht die Kugel offensichtlich nur eine Schicht, denn Gewebeeigenschaften haben keinen Einfluss auf das gemessene Magnetfeld
  • für das EEG müssen die verschiedenen Gewebe (Gehirn, Gehirnflüssigkeit, Schädel, Kopfhaut) aber einbezogen werden, darum werden 3-4 Schichten im Modell angenommen
  • Problem: Leiteigenschaften der Gewebe können nur geschätzt werden

– Gitter

  • das Gehirn eines einzelnen Probandens wird, basierend auf MRT-Messungen, als ein Gitter aus Dreiecken modelliert
  • realistischer, aber durch MRT natürlich mit zusätzlichem Aufwand behaftet

Ein wichtiges mathematisches Konzept, um die vorwärtsgerichtete Lösung vollständig zu beschreiben, ist das

Lead-Field. Das Lead-Field ist eine Matrix, bestehend aus 3mN Einträgen. m ist die Zahl der interessanten Orte von Dipolen, N die Zahl der Sensoren.

Das Lead-Field verbindet die vorwärtsgerichtete mit der inversen Lösung.

Inverse Lösung:

Das Lead-Field verbindet die vorwärtsgerichtete mit der inversen Lösung, denn die inverse Lösung besteht darin, eine verschiedene Anzahl von Dipolen (mit verschiedenen Stärken) durch das Lead-Field zu „bewegen“ und zu schauen, welche Konfiguration die Daten am besten erklärt, z.B. mit Suchalgorithmen, die nach lokalen Maxima/Minima suchen.

Das Problem dabei ist aber, dass die Zahl der noch unbekannten Dipole viel größer ist als die der Elektroden; die inverse Lösung ist also unterdeterminiert. Es müssen daher zusätzliche Einschränkungen (also a priori Wissen) verwendet werden. Möglich sind z.B. folgende:

  • Physiologie: Quellen außerhalb des Kopfes und in der weißen Hirnsubstanz können ausgeschlossen werden
  • die Zahl der angenommenen Quellen (Dipole) wird festgelegt
  • die Zahl der angenommenen Quellen wird minimal gehalten; Problem: Annahmen über die Zahl recht willkürlich; Mögliche Lösung: Information von MRT etc. benutzen
  • es wird von minimaler Energie ausgegangen; Problem: dadurch wird angenommen, dass alle Quellen sich auf der Oberfläche befinden; Mögliche Lösung: physiologisches Wissen benutzen, um diesen Bias zu reduzieren

Um die Genauigkeit der Lokalisierung weiter zu erhöhen, gibt es folgende Möglichkeiten.

  • die Nummer der Elektroden erhöhen. Gute Ergebnisse erzielt man ab 60 Elektroden, ab 120 bringen zusätzliche Elektroden nur noch wenig
  • Beamforming

Beamforming:

Ursprünglich für Radaranwendungen entwickelt, dient Beamforming dazu, das Signal aus einer bestimmten Richtung kommend zu verstärken und dabei Signale aus allen anderen Richtungen abzuschwächen.
Das Prinzip dahinter ist simpel:

Signale kommen an verschiedenen Orten zeitversetzt, zu verschiedenen Zeitpunkten an, wegen des unterschiedlich langen Übertragungsweges. Diese Latenz ist aber recht genau bekannt, sie hängt nur von der Distanz und dem Übertragunsmedium ab. Daher nimmt man nun die Messungen von allen Sensoren und korrigiert diese in der Zeit, d.h. man berücksichtigt die Latenz, indem man man alle Messungen zeitlich so verschiebt, als ob das Signal überall zur gleichen Zeit angekommen wäre. Diese zeitkorrigierten Messungen summiert man nun; heraus kommt der sog. Beamformer output, den man auch als virtuelle Elektrode betrachten kann.
Was hat man dadurch erreicht?
Man hat ein bestimmtes Signal durch das Aufaddieren verstärkt, während sich alle anderen gegenseitig auslöschen und daher abschwächen.

In der Praxis funktioniert dieser Ansatz in dieser Form leider noch nicht so gut. Daher gewichtet man nun noch den Beitrag jeder Elektrode zum gesamten Beamformer output. Und diese Gewichtungen sind bestimmt von oben erwähnter Lead-Field-Matrix und der Kovarianz-Matrix.
Fürs Brain Imaging wird also das Gehirnvolumen in Voxel unterteilt. Auf jedes Voxel wird Beamforming angewendet, wodurch man ähnlich zu fMRT das ganze Gehirn scannen und Gehirnaktivität lokalisieren und vergleichen kann. Netterweise hat man dadurch zusätzlich zur hohen zeitlichen Auflösung auch eine hohe räumliche Auflösung.

So schön das klingt, hat auch Beamforming wieder Einschränkungen:

  • es ist vom vorwärtsgerichteten Model und Lead-Field abhängig
  • korrelierte Quellen können nicht separiert werden, was zu Fehlern führt
  • Beamforming kann nicht alle Daten zugleich erklären, sondern immer nur die unabhängige Aktivität einzelner Voxel

Also: der perfekte räumliche Filter existiert (noch) nicht.

Written by debbus

Januar 25, 2010 um 10:35 pm

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